Knicken - Eulersche Knickfälle

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Gerade Stäbe können unter dem Einfluss von bestimmten, längs zur Stabachse wirkenden kritischen Druckkräften knicken. Knicken ist auch der technisch-mechanische Fachausdruck für diesen Stabilitätsverlust, der schlagartig oder kontinuierlich stattfinden kann.

Für Stäbe oder Balken mit Tragwerksfunktion* wirkt das Knicken destruktiv, wenn der instabil gewordene Stab oder Balken in seiner neuen, gekrümmten Gleichgewichtslage seine ursprüngliche Funktion etwa innerhalb einer komplexen Baukonstruktion nicht mehr wahrnehmen kann. Dies gilt für technisch hergestellte genauso wie für organische Stabformen wie etwa Knochen als Baustein eines Skeletts oder Gräser und Stämme.

Faktoren für das Knicken von Stäben

Im Knicken durchlaufen Stäbe oder Balken unterschiedlich rasch eintretende Formveränderungen. Deren Ausprägung ist abhängig von der Form der Belastung, der der Stab ausgesetzt ist. Sie wird als Knicklast (kritische Last Fk) bezeichnet. Wann eine Druckkraft zur Knicklast wird und die Stabilität eines Stabes gefährdet, hängt von fünf korrelierenden Faktoren ab:

1. Stablänge
2. Beanspruchungsart (Druckkraftverlauf und/oder Biegemoment entlang der Stablänge)
3. Querschnittsform des Stabes und das hieraus abgeleitete Flächenträgheitsmoment
4. Materialeigenschaften (bei vorhandener Elastizität: Höhe des Elastizitätsmoduls und Fließgrenze )
5. Lagerung der Stabenden (Einspannung/ Auflagerung/ Stützung)

Formänderung aufgrund eine Knickkraft

Die aus der Knicklast resultierenden Formveränderungen können verschiedene Ausprägungen annehmen. Im Fall des Biegeknickens weicht die Stabachse seitlich aus. Das Drillknicken bezeichnet das Verdrehen des Stabquerschnitts. Im Biegedrillknicken kombinieren sich beide Formen des Stabilitätsverlustes, das seitliche Ausweichen der Stabachse und das Verdrehen des Querschnitts treten gleichzeitig auf.

Eulersche Knickfälle

Der im 18. Jahrhundert wirkende, Schweizer Mathematiker Leonhard Euler hat als erster Wissenschaftler das Knicken gerader Stäbe untersucht. Daher sind die vier im Folgenden besprochenen Fälle von vier geknickten Stabformen nach ihm als Eulersche Knickfälle oder auch Eulerfälle benannt. Eulersche Knickfälle gehen von elastischen Stäben aus, die unter mittig einwirkender Knicklast und spezifischen Bedingungen hinsichtlich ihrer Endenlagerung einknicken.
Die 4 verschiedenen Knickfälle sind in der folgenden Grafik zu sehen:

Eulersche Knickfälle

1. Eulersche Knickfall:
Der 1. der Eulerfälle beschreibt einen Stab oder einen stützende Balken, der an einem Ende frei steht, aber am anderen Ende eingespannt ist. Hierbei ergibt sich nach unten erläuterten Berechnungen eine doppelt so hohe Knicklänge wie Stützenlänge.

2. Eulersche Knickfall:
Der 2. der Eulerfälle, gleichzeitig auch der in der Praxis am häufigsten vorkommende der Eulerschen Knickfälle, bezieht sich auf einen Stab, der an beiden Enden gelenkig gelagert wurde. Dort ist die Knicklänge gleich der Stützenlänge.

3. Eulersche Knickfall:
Der 3. der Eulerfälle meint einen unten eingespannten und oben gelenkig gelagerten Stab.

4. Eulersche Knickfall:
Der 4. der Eulerschen Knickfälle geht von einem beidseitig eingespannten Stab aus.

Das Einzigartige an der Grundlage für Eulersche Knickfälle war die Zugrundelegung der bereits durch die Belastung verformten Stäbe, anhand derer er das Spannungsgleichgewicht bemaß. Methode und Ergebnisse eröffneten so nicht nur für Eulersche Knickfälle, sondern insgesamt neue Perspektiven für die Stabilitätstheorie. Die Berechnung für Eulersche Knickfälle berücksichtigt dabei alle weiter oben aufgeführten, materialbedingten, mechanischen und geometrischen Faktoren, die über die Knicksicherheit beziehungsweise Knickanfälligkeit eines Stabes entscheiden.

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Knickkraft berechnen

Die resultierende Formel* kann zur Knickkraftberechnung aller Eulerfälle dienen. Danach ergibt sich die kritische Knickkraft wie folgt:

kritische Knickkraft

E - Elastizitätsmodul
I - axiales Flächenträgheitsmoment des Querschnittes
π - Kreiszahl Pi ≈ 3,1415926...
s - Knicklänge

Knicklänge s

Die Knicklänge s steht mit der Stablänge L in folgender Beziehung:

Knicklänge berechnen

β - Knicklängenbeiwert
L - Stablänge

Die folgende Grafik veranschaulicht den Begriff der Knicklänge besser als die vorhergehende - wenn auch beide Bilder im Prinzip das Gleiche darstellen.

Knickfälle und Knicklänge

Knicklängenbeiwerte β

Für die Eulerschen Knickfälle ergeben die Knicklängenbeiwerte β folgende Werte:

1. (eingespannt/frei) = 2
2. (gelenkig/gelenkig) = 1
3. (eingespannt/gelenkig) = 0,699... (nicht 0,707...!)
4. (eingespannt/eingespannt) = 0,5

Verändert die Druckkraft im 1. der Eulerfälle beim Knicken ihre Richtung, können die Werte für β allerdings deutlich größer als 2 werden.

Kritische Knickspannung berechnen

Zur Berechnung der Knickspannung für Eulersche Knickfälle wird als zusätzliche Größe der Schlankheitsgrad λ berechnet. Er fließt in die Berechnungsformel der Knickspannung ein.

Schlankheitsgrad λ

Schlankheitsgrad - Knicken

λ - Schlankheitsgrad
β - Knicklängenbeiwert
L - Stablänge
i - Trägheitsradius des Querschnittes

Flächenträgheitsradius i

Der Flächenträgheitsradius i ist eine weitere Größ, die wir für die Berechnung der kritischen Knickspannung benötigen. Er ist die Wurzel aus der Flächensteife. Oder umgekehrt: Die Flächensteife ist das Quadrat des Trägheitsradius. Die Flächensteife ergibt sich wiederum aus dem Quotienten von Flächenträgheitsmoment I und der Querschnittsfläche A. So berechnet sich der Flächenträgheitsradius aus folgender Gleichung:

Flächenträgheitsradius berechnen

I - Flächenträgheitsmoment
A - Querschnittsfläche des Knickstabes

Kritische Knickspannung

Letztendlich errechnet man die kritische Knickspannung σk mittels folgender Gleichung:

Berechnung kritische Knickspannung

σk - kritische Knickspannung
π - Kreiszahl Pi ≈ 3,1415926...
E - Elastizitätsmodul
λ - Schlankheitsgrad

Die Funktion σk(λ) ergibt dann die so genannte Euler-Hyperbel, eine Hyperbel zweiten Grades.