Gitterfehler bei Metallen
Die bisher beschriebene Kristallstruktur und Gittertypen zeigen die Beschaffenheit eines fehlerfreien Kristalls, einen sogenannten Idealkristall. In der realen Welt der Werkstofftechnik weisen jedoch alle kristallinen Werkstoffe unterschiedliche Fehler auf, die als Gitterfehler bezeichnet werden. Ohne die Fähigkeit eines Metalls Fehler in der Struktur zu besitzen, hätten Metalle auch nicht die uns bekannten (und vorteilhaften) Eigenschaften wie zum Beispiel ihre plastische Verformbarkeit oder Legierbarkeit.
Bei Gitterfehlern von Metallen unterscheidet man in der Werkstofftechnik zwischen
- nulldimensionalen Gitterfehlern,
- eindimensionalen Gitterfehlern,
- zweidimensionalen Gitterfehlern und
- dreidimensionale Gitterfehlern.
1) nulldimensionale Gitterfehler von Metallen
Nulldimensionale Gitterfehler werden auch als Punktfehler bezeichnet und sind Defekte in der Gitterstruktur, die nur die Ausdehnung eines einzelnen Atoms besitzen. Es gibt folgende Punktfehler:
1a) Leerstellen / Gitterlücken
Leerstellen oder auch Gitterlücken sind Fehlstellen im Kristallgitter die von keinem Atom besetzt sind. Die Gitterstruktur des Metalls verformt sich um die jeweilige Fehlstelle herum. Diese Art von Gitterfehler nimmt bei Verformung und Temperaturerhöhung des Metalls zu.
1b) Zwischengitteratom
Das Zwischengitteratom ist ein Gitterfehler, bei dem ein zusätzliches Atom im Gitter eingelagert ist. Das Atomgitter des jeweiligen Metalls wird rund um das Zwischengitteratom aufgeweitet.
1c) Fremdatome
Dieser Gitterfehler zeichnet sich dadurch aus, dass ein fremdes Atom im Grundgitter vorhanden ist. Das Fremdatom kann dabei entweder ein reguläres Atom ersetzten – hierbei spricht man von einem Substitutionsmischkristal, da das Fremdatom ein reguläres substituiert – oder einen Zwischengitterplatz einnehmen – hier ist die Rede von einem Einlagerungsmischkristall, d.h. dass zusätzlich der Fehler eines Zwischengitteratoms vorliegt.
2) eindimensionale Gitterfehler von Metallen
Eindimensionale Gitterfehler werden auch als Linienfehler bezeichnet. Hier ist nicht nur ein einzelner Gitterplatz bzw. ein einzelnes Atom betroffen, sonder eine ganze Gittergerade. Bei den eindimensionalen Gitterfehlern handelt es sich um sogenannte Versetzungen. Hier wird des Weiteren zwischen Stufenversetzungen Schraubenversetzungen unterschieden.
Eindimensionale Gitterfehler sind entscheidend für die mechanischen Eigenschaften des Metalls und daher von großer Bedeutung in der Werkstofftechnik. So haben Versetzungen unter anderem die Eigenschaft sich zu bewegen, was zum Beispiel die plastische Verformbarkeit der Metalle ermöglicht.
2a) Stufenversetzungen
Stufenversetzungen sind Gitterfehler, bei denen eine ganze Gitterlinie innerhalb einer Gitterstruktur irregulär endet. Die parallel verlaufenden Gittergeraden passen sich an diesen Linienfehler an und verformen/verzerren sich, um diesen auszugleichen.
Die folgende Bild zeigt eine schematische Darstellung einer Stufenversetzung.
2b) Schraubenversetzungen
Eine Schraubenversetzung liegt dann vor, wenn der sog. Burgersvektor und die Versetzungslinie parallel zueinander liegen (im Gegensatz zur Stufenversetzung, bei der der Burgersvektor und die Versetzungslinie senkrecht zueinander liegen). Auf die Zusammenhänge zwischen Burgersvektor und Versetzungen wird im Unfang dieses Werkstofftechnik-Skriptes nicht weiter eingegangen.
Eine ausführliche Betrachtung über Versetzungen findet man auf der Website der Uni Augsburg: Versetzungen
3) zweidimensionale Gitterfehler von Metallen
Um das Prinzip der zweidimensionalen Gitterfehler bei Metallen zu verstehen, sollte man wissen, dass Kristallite häufig auch als Körner bezeichnet werden, und dass diese Körner wiederum in Subkörner unterteilt sind.
3a) Korngrenzen
Die Körner und Subkörner entstehen durch Gitterfehler, die man als Korngrenzen bezeichnet. Die Korngrenzen entstehen dadurch, dass zwei Bereiche (Atomgitter) eine unterschiedliche Gitterorientierung besitzen – also in einem unterschiedlichen Winkel zueinander stehen.
Dabei unterscheidet man die Kleinwinkelkorngrenzen mit einer Winkelabweichung von bis zu 10°. Die Kleinwinkelkorngrenzen erzeugen die Subkörner.
Die normalen Korngrenzen werden durch Großwinkelkorngrenzen gebildet. Die Großwinkelkorngrenzen entstehen durch unterschiedliche Gitterorientierungen von mehr als 10°. Außerdem haben hier die Kristallite größere Abstände voneinander (mehrere Atomabstände).
3b) Stapelfehler
Der Stapelfehler ist die Unterbrechung einer regelmäßigen Stapelung von Kristallebenen. Der Stapelfehler führt zur Bildung von Korngrenzen und verhindert somit, dass sich ein Einkristall bilden kann.
3c) Zwillingsgrenzen
Zwillingsgrenzen sind eine Sonderform der Korngrenze, da sich hier zwei Kristalle – das Zwillingspaar – eine Atomreihe als Grenze teilen.
4) dreidimensionale Gitterfehler von Metallen
Dreidimensionale Gitterfehler können auch als Volumenfehler (Inklusionen) bezeichnet werden und sind vollständige Fremdphasen innerhalb eines Kristalls.
4a) Poren
Bei den Poren handelt es sich um Hohlräume (offen oder geschlossen) innerhalb des Metalls, die mit Gas oder Flüssigkeit gefüllt sind.
4b) Einschlüsse
Unter Einschlüssen versteht man feste Fremdphasen innerhalb eines Kristalls.
4c) Ausscheidungen
Bei der Ausscheidung bildet sich die Fremdphase aus dem Kristall selbst heraus, wird sozusagen ausgeschieden.